Das Schweizerhaus Seelow
Das 1854 erbaute Schweizerhaus diente ursprünglich als Ausflugslokal; es verfügte über einen Biergarten und eine kleine Bühne für Konzerte und andere Aufführungen und war ein regionaler Anziehungspunkt. Hugo Simon erwarb das Anwesen 1919, um es zu einem landwirtschaftlichen Betrieb um- und auszubauen. Dessen spätere Bezeichnung als „Landgut Schweizerhaus“ war eine Reminiszenz an das bekannte Ausflugsziel. Tatsächlich behielt das Gebäude seinen schlichten Charakter, obwohl es nach seinem Umbau zu einem Wohnhaus für die Familie Simon über moderne Annehmlichkeiten wie fließend Wasser und Elektrizität verfügte. Durch Kauf und Pacht erweiterte Hugo Simon den umgebenden Besitz auf eine Fläche von rund 100 Hektar, auf der auch neue Bauten errichtet wurden: der Architekt Ernst Rossius-Rhyn entwarf ein von Goethes Weimarer Gartenhaus inspiriertes Gebäude, in dem Gäste wohnen konnten. Auch die Verwalterwohnung, Hugo Simon hatte den Berliner Landschaftgestalter Alfred Kutta dauerhaft nach Seelow holen können, war hier untergebracht. In den 1920 Jahren wuchs die Belegschaft stetig; zahlreiche Fachkräfte und Arbeiter wurden mit ihren Familie in entsprechenden Wohnungen auf dem Gelände untergebracht.
Das Landgut Schweizerhaus entwickelte sich bald zu einem dynamischen landwirtschaftlichen Betrieb, der hauptsächlich Obst, aber auch Gemüse, Blumen, Honig und Geflügel produzierte. In kleinerem Umfang wurden auch Kaninchen, Schweine, Waschbären und exotische Hühner gezüchtet. Das Kaiser Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung zeichnete den Betrieb aufgrund seiner modernen Produktionsmethoden als Mustergut aus. Gleichzeitig wurden der Park und das Gelände landschaftlich, architektonisch und künstlerisch weiterentwickelt: Ein Teich mit einer kleinen Brücke und einem Springbrunnen wurde angelegt,und Hugo Simon integrierte Skulpturen zeitgenössischer Künstler in die Anlage, darunter den berühmten Esel von Seelow (1927) von Renée Sintenis, der zum Symbol des Landgutes wurde. Ende der 1920er Jahre war das Landgut Schweizerhaus in ganz Deutschland bekannt und zog jährlich Tausende von Besuchern an, vor allem aus Berlin. Regelmäßige Gäste waren jene Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Politiker:innen, die zum ausgedehnten Freundeskreis von Hugo Simon zählten.
Im Oktober 1933 wurde das Gut vom Preußischen Staat beschlagnahmt und als Landwirtschaftsschule und Versuchsfarm weitergenutzt. Im April 1945 fand wenige hundert Meter entfernt, auf den Seelower Höhen, eine der letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs statt. Das Haupthaus wurde von der Roten Armee zu einem Lagerraum umgewidmet, andere Gebäude auf dem Gelände wurden während der Kampfhandlungen stark beschädigt. Zwischen 1945 und 1949 diente das Gut nicht nur landwirtschaftlichen Zwecken, u.a. wurde vorübergehend eine Gewerbeschule untergebracht. Während der DDR-Zeit (bis 1990) wurde das Schweizerhaus mit seinen Anlagen als VEG Gartenbau Seelow landwirtschaftlich weitergenutzt, rund 30 Mitarbeiter:innen kümmerten sich insbesondere um Gemüse- und Blumenanbau. Nach der Wiedervereinigung übernahm das Land Brandenburg das Anwesen und 1992 wurde dem Restitutionsbegehren der Erben Hugo Simons stattgegeben. In dieser Zeit lag das Land brach, die leerstehenden Gebäude verfielen (weiter) – das „Landgut Schweizerhaus“ war in den sprichwörtlichen Dornröschenschlaf gefallen.
Eine Wiederentdeckung und -belebung nahm fast zwei Jahrzehnte nach der so genannten Wende ihren Anfang: Seit 2008 kümmert sich der Heimatverein „Schweizerhaus Seelow e.V. unter Leitung von Marion Krüger um das Anwesen – und um die Erinnerung an Hugo Simons Leben und Wirken. Und 2013 kam mit Rafael Cardoso, dem Urenkel von Hugo und Gertrud Simon, erstmals wieder ein Familienmitglied nach Seelow – 80 Jahre nachdem seine Vorfahren aus Deutschland vertrieben worden waren. Das daraus entstandene Miteinander von Simon’schen Nachfahren, lokalen Akteur:innen und der Stadt Seelow sowie die Unterstützung der Herrmann Reemtsma Stiftung (Hamburg) haben die Voraussetzungen geschaffen, die schließlich die Gründung der Hugo Simon Stiftung im Jahr 2021 möglich gemacht haben. Heute ist das Schweizerhaus im Besitz der Hugo Simon Stiftung.
Heimatverein „Schweizerhaus Seelow e.V.“
Der 2007 gegründete Heimatverein „Schweizerhaus Seelow“ e.V. hat die Wiederherstellung des seit dem Ende der DDR nahezu verlassenen Geländes des Schweizerhauses Seelow übernommen. Dank den Bemühungen einer kleinen und sehr engagierten Gruppe konnten die ehemaligen Simonschen Anlagen vor dem weiteren Verfall bewahrt werden. In den folgenden Jahren hat sich der Prozess der Restaurierung des Geländes in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Land durch die intensive Arbeit des Heimatvereins und dank der Großzügigkeit öffentlicher und privater Sponsoren allmählich entwickelt. Die Überführung des Grundstücks in die Hugo-Simon-Stiftung im Jahr 2021 markiert eine neue Etappe in diesem Prozess, bedeutet aber keineswegs einen Richtungs- oder Personalwechsel. Der Heimatverein Schweizerhaus Seelow e.V. wird weiterhin als Nutzer und Entwickler des Geländes fungieren und gemeinsam mit der Stiftung dafür sorgen, dass die ehemaligen Simonschen Anlagen auch für künftige Generationen von Einwohnern und Besuchern Seelows erhalten bleiben.
Besuch
Bitte informieren Sie sich vor Ihrem Besuch rechtzeitig, ob die Möglichkeit einer Besichtigung besteht.
Tel.: 03346 - 42 91 91 0
E-Mail: info@heimatverein-seelow.de